ARME RITTER

Zweige Wasser Wolken

 

 

Schwanenhemden

Sie reckten ihre Arme,   die waren nass und weiß.
"Die Hemden gib uns wieder!   So geben wir dir preis,
Was dich zu wissen dürstet,   den Ausgang eurer Fahrt
Kannst du von uns erfahren,   was Sorge ohne Nutzen spart."
                        
Sie schwammen auf dem Wasser    manch einer sagt: bei Nacht,
Im Mondlicht wie die Vögel.   Hagen hat gedacht,
Das weise augenscheinlich   auf ihren weisen Sinn,
Mit den gestohlenen Hemden   trat er zu den beiden hin.

"So wisse: unbeschadet   kommt ihr in Etzels Land,
Kein Mensch noch gleiche Ehre   an dessen Hofe fand
Und Ruhm, als euch zuteil wird,   ich sage es voraus.  
Ruht nach der langen Reise   für lange dort und gründlich aus."

Das hört' er,  meint man, gerne.   Sie zogen die Hemden an
Und schwangen sich mit Rauschen   auf wie Schwäne. Dann
Vernahm er, schon von oben:   "Nicht eben, dass sie log,
Der Federhemden wegen   meine Muhme dich betrog!

Wenn ihr nicht schleunigst umkehrt,   so geht ihr alle zugrund
An Etzels Hof durch Kriemhild,   nicht einer kommt gesund
Und munter von dort wieder   zurück nach Worms am Rhein
Als der Kaplan des Königs,   nicht einer sonst als er allein!"

"Jetzt hast du ihn gerettet",   sprach die Muhme drauf
Und lachte laut und fröhlich.   Mit Zorn sah Hagen auf.
"Was gilt's, er kann nicht schwimmen,   ich probe euer Wort!
Wenn wir die Donau queren,   dann werfe ich ihn über Bord!"

"Ich glaube fast, du irrst dich,   sie kehren niemals um,
Er achtet nicht der Warnung,   sie sterben alle drum."
"Auch meinte ich nicht Hagen,   dem niemand helfen kann,
Der, den du gerettet,   von dem ich sprach, ist der Kaplan."

 

Schionatulander nicht gut beieinander

Verfluchter Hund!
Vermaledeite Botschaft
Der verdammten Funkelsteine
In der viel zu langen Leine!
Nicht taten sie mir kund,
Dass sie mir solche Not schafft!
Weh! Hätt ich das Ende gewusst,
Das mir entglitt,
Als mir das Seil mit den Steinen die Hände zerschnitt –
Da hab ich ihn senden gemusst,
Dass ich es erführe.
Verdammte Aventüre!
Vermaledeite Botschaft
Der verfluchten Funkelsteine
In der viel zu langen Hundeleine!
So ging Sigunes Klage rund.
Ihr merkt es wohl, in ihrer Qual
Vergaß sie teils der Worte Wahl.
Man kann das zwar häufig nicht gradeso lesen,
Aber genauso ist es gewesen.

 

Breziljan

...

Sô wünneclîchen vogelsanc,

Und dauerte die Welt noch lang,

Man gehœret niemer mêre,

Was immer es beschwere,

Daz herze wære dâ von vrô.

Voll Vöglein war die Linde, so

Daz ich des loubes lützel kôs,

Tausend, tausend Vögel bloß!

Wie dâ sanc gesange galt,

So schallte es wider aus dem Wald!

Den brunnen ich dar under sach,

Dem war die Linde sein schattendes Dach,

Unde ob den brunne stant ein

Geschliffener Smaragd-Stein.

Dô ich daz becke hangende vant,

Beriet mich leider mein Unverstand,

Sît ich nach âventiure

Der Ehre halber führe,

Daz ich gôz ûf den stein.

Da brach das Unwetter herein!

In allen enden umbe mich

Flammten Blitze. Fürchterlich!

Ez wancte in dem winde

Die besagte Linde,

Daz den tûsent vogellîn

Übel wurde und sie spien.

...

 

Der Wunderbaum

...

Schaut ihr in diesen Baum hinein,
Seht ihr viel tausend Vöglein fein
Auf dem Gezweige sitzen,
Die in der Sonne blitzen,
Als wärn es lauter Edelstein.

Dem andern gleicht das eine nie,
Das Kleid nicht noch die Melodie,
Es folgt ein jedes seiner,
Doch hörte seither keiner
Vollkommenere Harmonie,

Als ich in dem Gesang vernahm,
Da ich herangeritten kam,
Und rings im Widerklingen
Des Waldes von dem Singen,
Das macht es doppelt wonnesam.

Der Baum deckt eine Quelle zu,
Da hat sie vor der Sonne Ruh,
Nicht trübt sie Wind und Regen
Des Wunderbaumes wegen.
Von dort erreichte ich im Nu

Den Stein, der wenig abseits stand,
Smaragd, verschönt mit Kunstverstand,
Den Sockel tragen viere
Sehr stolze Marmortiere,
Doch war die Art mir unbekannt.

An einem Ast hing, so gewollt,
Vom Baum ein Becken, ganz aus Gold,
An einer Silberkette.
Wie wünschte ich, ich hätte
Es nicht von dort herabgeholt.

Kaum goss ich Wasser auf den Stein,
Brach Blitz und Hagel auf mich ein,
Es schwankt' vom Eiseswinde
Erfasst die Wunderlinde.
Die Vögel fingen an zu spein.
...

 

Myrkwald

Den Myrkwald durchflogen    Mädchen von Süden,
Ölrun und Herwör,    eine hieß Schwanwit.
Ruhten abends   am Rand des Wolfsees,
Entfachten Feuer,    die Federhemden,
Rötlich schimmernd,    streiften sie ab.
"Die Federhemden    habt im Auge,
Wir weilten", sprach Herwör,    "am Wolfsee schon."

 

"Schwester, was gibt es    von Schlagfider Neues?
Leer wohl schien und    verlassen der Saal ihm,
Wo Schwanwit ihn vormals    umfing, und tot?"
Ölrun fragte,    Antwort gab Schwanwit.
"Wenig weiß ich.    Wandte sich südwärts,
Verlief sich im Myrkwald.   Die Lieder schweigen."

 

"Sag, was ist    aus Egil geworden?
Leer wohl schien und    verlassen der Saal ihm,
Der Ölrun dort   umarmte, und tot?"
Ölrun gab Antwort.    "Ostwärts zog er."
Schwanwit fragte.    "Ein Schütze wie keiner,
Und Vögel am Wasser    fängt er gut.
Die ersehnte Beute    sucht er vergebens."

 

"Was aber wäre    von Wölund zu sagen?"
Herwör wars,    die hatte Antwort.
"Dass Wölund allein    in den Wolfstälern saß,
Einsam immer,    der albische Schmied.
Schöne Steine    umschloss er mit Gold,
Bog es zu Ringen,    reihte sie auf
An der Kordel von Bast,    keiner als mir.

 

Nidung nahm sie,    der Njarenkönig,
Einen die Tochter,    sein Ehweib die meisten,
Kalter Ratschläge    kundig, empfing;
Die Sehnen zerschneidet    dem Schmied an den Füßen,
Riet sie. Dem Räuber,    Rache entbehrend,
Geschmeide wirkt Wölund    und Schwerter jetzt."

 

Scham verschlug ihr    die Stimme und Zorn.
"Ich glaube, du hängst    auch heute an ihm."
Ölrun sprachs,    Schwanwit nickte.
Da querte dunkel     den klaren Vollmond
Mit rauschenden Flügeln    ein riesiger Greif.

 

Laurin

Warum konnte ich unter dem Berge nicht bleiben,
Der Herrscher des innen gelegenen Reiches,
Wo nie sich ein Tag von der Nacht unterscheidet,

Die Stunden im zweifelnden Dämmern verstreichen,
Weil sich Sonne und Mond und die Sterne nicht zeigen?
Doch von unten herauf dringt wohl manchmal ein Gleißen
Und blendende Lichter blitzen bisweilen
Für einen Moment aus schön funkelnden Steinen
Und spiegeln sich wider auf Schwert und Geschmeide,
Erschaffen von Zwergen, den kunstreichen Meistern,
Zur Freude den vieledlen Frauen das eine,
Das andre den Rittern zu trefflichem Streite.
Auf sich kreuzenden Straßen herrscht stetig ein Treiben
Geschäftiger Zwerge. Sie weichen beiseite
Vor Riesen, die, wandernden Türmen gleich, schreiten ...
Da steht meine Burg, wo ich Feste gefeiert,
Und der goldene Thron, mir vom Vater zu eigen.
Was bin ich nicht unter dem Berge geblieben?

Dass ich mehr als die Schätze im Reiche der Tiefe
Auf der Kuppe des Berges den Rosenhag liebte,
Den ich mir erzog, wo mich keiner erriete!
Die Rosen blutrot, von der Sonne beschienen,
Mit Glanz und mit Duft meine Sinne erquickten,
Dazu in den Bäumen das helle Singen
Der niedlichen Vögel mit buntem Gefieder,
Und ich, in der zeitlosen Tiefe Gebieter,
Ergötzte mich täglich hoch oben im Lichte
Inmitten der Rosen und unter dem Himmel.
Und ich hegte den Garten mit goldenem Faden.

 

Und habe den Garten doch schließlich verlassen.
Mit eigenen Augen wollt ich erfahren,
Wie das Menschenvolk hauste da drunten im Tale.
Dann ritt ich bewaffnet mit Schild, Schwert und Lanze –
Die Brünne gehärtet im Blut eines Drachen –
Auf dem trabenden Schecken die steinigen Pfade
Entlang und hangabwärts und kam eines Tages
Auch an eine Burg – davor auf dem Rasen
Spazierte ein Fräulein liebreichen Gebarens,
Das nahm meinen Blick schon von ferne gefangen.
Ich führte den Schecken zum Rande des Waldes.
Dort band ich ihn an. Aus der Tasche am Sattel
Langte ich mir meine hehlende Kappe,
Die setzte ich auf. So verborgen vor allen,
Kehrt ich zurück und ich sah jetzt von Nahem
Den Zauber der Reize. Gebannt stand ich lange.
Was hab ich zur Heimfahrt mich dann nicht gewendet?

 

Dass ich sie entwandte, was half es am Ende?
Sie mochte im Innern des Berges nicht leben.
Zwar ließ mit der Zeit sie ihr erstes Erschrecken,
Wohl dankte sie huldreich für alle Geschenke,
Die ich ihr gewährte, die Dienstschaft der Zwerge,
Der Lobpreis der Sänger verschafften ihr Ehre
Und freundlich kredenzte in goldenen Bechern
Den Wein sie den Gästen zum fröhlichen Feste.
Doch ob sie als Königin unten gern herrschte,
Ich merkte, dass sie nach oben sich sehnte.
Und endlich ging Nachricht hinaus zu den Menschen. – –
Jetzt diene ich schmählich als Narr in der Fremde.
Nicht half meine Hehlkappe wider den Berner,
Meine Rosen zerhieben die grimmigen Recken
In sinnloser Wut mit der Schärfe der Schwerter,
Zertraten im Garten laut jauchzend die Beete
Und durchrissen den Faden, mit dem ich ihn hegte.
Was konnte ich unter den Steinen nicht bleiben?

 

Der Traum des Drachen

Jeder weiß, zum Schlaf der Platz
Ist dem Drachen meist sein Schatz.
Tief in einem Felsenloch,
Drin er vormals sich verkroch,
Schläft der Drache eingerollt
Rötlich glosend auf dem Gold
Und so weiter, welches dort
Aufgehäuft zum Drachenhort
Liegt, oft viele hundert Jahr,
Dass es heißt, er war nie wahr –
Eh ihn einer neu entdeckt,
Was den Drachen wieder weckt.

All das weiß man, aber kaum
Einer weiß, was in dem Traum,
Den der Drache schlafend sieht,
So viel Jahre lang, geschieht.
Man möchte wohl glauben,
Er träumte vom Rauben,
Von feurigen Flügen
Und Rachezügen,
Von Schlingen und Streiten
Und Schrecken Verbreiten ...
Doch das träfe nicht zu.
Ich sag es dir, du:

Im Traume mustert er die Beute,
Die er kreuz und quer verstreute:
Kronen, Spangen und Pokale,
Spiegel, Schwerter, Silberringe,
Äxte, manche schöne Schale,
Kannen, Leuchter ... tausend Dinge
Prüfend sitzt er da und sinnt,
Wie sie gut zu ordnen sind.
Und dann rückt er sie in Fächer:
Eins für die Äxte und eines für Becher,
Hierhin die Kronen und dort die Pokale,
Gemmen zu Gemmen und Schale zu Schale
Reiht er, und das geht bequem,
Aber reicht nicht zum System ...
Also noch einmal: geschliffene Steine,
Die Perlen und Gemmen hinein in das eine,
Die Schwerter samt Scheiden und Dolche und Messer
Teilen ein zweites Fach ... Das geht schon besser.
Nur bleibt ihm zuletzt dann wohl irgendein Stück,
Das nirgends dazupasst, alleine zurück.
Dann hilft nur, dass er mit Bedacht
Noch eine letzte Lade macht.
Hinein damit, es drängt ihn schon
Zum nächsten Schritt der Abstraktion.
Er hat jetzt Fächer, gut zu denken,
Indes, es fehlt, merkt er, an Schränken,
In die er jene rücken kann.
Mit Feuereifer geht er dran,
Dass es ihm aus den Nüstern raucht.
"Wie wär's mit: das, was man gebraucht,
Und: das, was nur durch Schönheit ziert?",
Ruft er frohlockend, da verliert
Mit einem sich das Traumgesicht,
Noch eben war's, jetzt ist es nicht
Mehr da: die schön sortierten Sachen,
Der Drachenhort mitsamt dem Drachen –
Die Phase, da er träumend schlief,
Ging just vorbei, jetzt schläft er tief
Und traumlos eine lange Frist,
Die gut und gerne Jahre misst.

Wenn dann das Träumen neu beginnt,
Erweist sich leider: Es besinnt
Der Drache nie sich des vorher
Erdachten jemals, so, dass er
Dann wieder dasitzt, die Pokale,
Broschen, Schwerter, Silberringe,
Spiegel, manche schöne Schale,
Kettenhemden, tausend Dinge
Grübelnd mustert ... und es wär,
Des kein Ende, käm nicht der
Schon erwähnte Mensch daher,
Der den Drachen neu entdeckt,
Was den endlich wieder weckt.

Voll von Argwohn mustert er
Seine Beute kreuz und quer
Und bemerkt es stets sofort,
Fehlt ein Stein aus seinem Hort,
Ein Reif, ein Ring, ein Goldpokal,
Eine Nadel – ganz egal,
Denn er weiß in seinem Schatz
Jedes Ding und seinen Platz.


Merkt er also den Verlust,
Bläht er wütend seine Brust,
Schnaubend bricht er aus dem Loch,
Drin er vormals sich verkroch,
Nach Jahrhunderten hervor,
Schwingt sich in die Luft empor,
Und er fährt mit Feuerspein

Wieder auf die Leute ein.

 

Der den Drachen traf

Du hast ihn gesehen. So gib uns Bericht.
Du musst es ja wissen. Ist wahr, was man spricht?

Ich sah seine Augen.

Aber kann er auch fliegen? Mit was denn für Schwingen?
Nach Vogelart solche, wie Fledergetier?
Und wie viele Beine?
Bloß zwei? Oder vier?
Oder am Ende – hat er gar keine?
Aber am meisten, vor anderen Dingen,
Interessiert uns und ganz ungeheuer:
Speit er auch wirklich, wirklich Feuer?

Ich sah seine Augen.

Ganz sicher doch Schuppen – wie Fische und Schlangen,
Nur eben gepflastert mit Ringen und Spangen.
Und hat eine Mähne und Kiefer wie Zangen!

Ich sah seine Augen.

 

So sahst du die furchtbaren Zähne des Drachen?
Die gespaltenen Zungen im scheußlichen Rachen?
Betäubend ertönt sein Gebrüll in den Ohren,
Es zittert die Erde, gerät er in Wut.
Man schlägt ihm den Kopf ab – ist trotzdem verloren,
Denn aus seinen Adern spritzt Gift anstatt Blut!

Ich sah seine Augen.

Zwiegespräch

Blass bist du, mein blasses Lieb,
Deiner Wangen Rot
Scheint lang mir tot.
Wie kommt es, dass so warm dein Mund doch blieb?

Du liegst siech, mein siecher Held,
Deiner Waffen Glanz
Erlosch längst ganz.
Mich wundert, dass dir noch mein Kuss gefällt.