SCHACHTELHALMWEG

Schachtelhalmweg

 

 

Schachtelhalmweg

Sommerwaldweg. Schachtelhalme an des Weges Rand.
Kleiner Tümpel lag dahinter. "Ein Libellenland",
Dachte ich und stand scharf spähend. Spähend lange stand.

Keine sah ich. Doch der Tümpel wuchs heran zum Teich
Tief inmitten eines Moores, weit und wasserreich.
Und die Schachtelhalme schossen, jäh und allzugleich,

Auf zum Kalamitenröhricht. In der Luft kein Ton ...
Riesenfarne, Schuppenbäume ... War ich im Karbon?
Ob hier wohl die Meganeura ... Und ich suchte schon

 

Als ich unversehens merkte, dass sie mich schon fand:
Wenn auch nicht just Meganeura
– nahe vor mir stand
Lautlos in der Luft Libelle, schaute unverwandt.

 

Burians Bilder


Paläozoikum

Das kambrische Meer,
Es ist lange her,
Dass ich es zum ersten Mal sah und besuchte:
Da sind Trilobiten, am Meeresgrund wuselnd,
Verkieselte Schwämme, ein Rasen von Algen;
Drüberhin treiben mühelos weiße Medusen.

 

Einmal umblättern nur,
Das Meer des Silur:
Zwei Kopffüßer glotzen, zackig gemustert,
Gehäuse von Schnecken sind leer und gewunden,
Das Sonnenlicht leuchtet auf  bunten Korallen;
Seelilienwiesen im hinteren Grunde ...

Aber jetzt sind wir schon
Im Mitteldevon
Unter wolkigem Himmel zu Lande, ein Wasser
Zieht sich mit Ruhe hindurch; vorne Pflanzen,
Die kriechen; doch groß, so wie Bäume, die Ufer
Entlang gehen Bärlappgewächse und Farne,

 

Bisweilen in Reihn;
Bei manchen entzwein
Sich über den Stämmen die struppigen Quasten
Gebüschelter Blätter, aus grünen Spiralen
Entrollende Wedel oder nach unten
Gebogene Sprosse, wie Geißeln, bei andern ...

Ein Sprung durch die Zeit
Befördert uns weit
Ins Karbon: Edaphosaurier leben
Hier in einem Wald;  man sieht zwei, ihre Segel,
Durch die knöchernen Stacheln auf ihren Rücken
Ausgespannt, drehn sie der Sonne entgegen.

 

Der eine der zwei
Lagert dabei
Auf einem Steinblock ein Stück weit zur Rechten
(Seinen vorderen Körper beschattet ein Felsen),
Sein Blick geht, so denk ich, zum Wasser hinüber,
An dem sich die Lepidodendren erheben.

Was mag er wohl fühlen?

 

In der Kreide

Unterdes fast abgeschafft
Ist das Trachodon.
Hier im Buche heißt es der,
Was im Grunde richtiger,
Es gibt zwei davon.
Aufrecht stehend einer gafft

Keck dem Gegner ins Gesicht,
Der ihn gleich erreicht,
Während sich der zweite duckt,
Schmollend schräg von unten guckt
Und dem Sumpf zu schleicht.

Das verdenkt man ihm ja nicht.

Auch Tyrannosaurus zeigt
Sich nach altem Brauch
Ziemlich aufgerichtet und
Dreht den Schwanz am Ende rund,
Wenn er sich jetzt auch
Etwas Richtung Beute neigt.

Seine Schnauze sperrt er auf,
Die von Zähnen starrt,
So wie Obstbananen groß,
Und der Biss ist beispiellos
Und sein Blick steinhart.
Eben hemmt er seinen Lauf.

 

Hinten suchen in der Flucht
Straußenechsen Heil,
Vor dem kreideweißen Hang
Hasten sie zu dritt entlang,
Welcher drüben steil
Aufsteigt, wie aus einer Bucht.

 

Pleistozän

"Smilodon". Das vorletzte Bild. Die Säbelzahnkatze
Reckt aus dem Wasser heraus wütend sich aufrecht empor,
Neben dem auch schon als Jungtier massigen Ur-Elefanten,
Der, unbedacht wie sie selbst, in diese Falle geriet.
Seitwärts stürzend, versucht er, vordergrunds, Richtung Betrachter,
Aber am Ende umsonst, aus diesem Tümpel zu fliehn.
Seine zwei Stoßzähne bilden so wie der kraftvolle Rüssel,
Den er im Aufschwung zuletzt in eine Schlaufe verdreht,
Schwarz auf der Fäche des Wassers sich ab, das trüb ist, vergebens
Sucht, wie es scheint, in der Luft einer der Füße nach Halt.
Furchtbar auf seinem Nacken liegt eine Pranke der Katze.

Reißt sie die Beute herum? Droht sie derart einem Feind?
Zornigen Blicks das Auge hat sie schräg aufwärts gerichtet,
Sperrt mit dem Schreckensgebiss maßlos den Rachen weit auf,
Eckzähne oben wie Säbel, die Dolche im unteren Kiefer.
Sind so die Geier gemeint, die sich im Abstand schon scharn?
Lassen sich schwebend herab, sitzen drüben am sicheren Ufer
Auf einem Baumstrunk, den Gras, seidig weiß glänzend, verdeckt,
Gras, das zur Ferne verschwimmt, sich ausdehnt als ebene Steppe,
Durch ein Gebirge begrenzt, das man im Hintergrund sieht.
Unbeirrt wissen die Vögel seit Langem, was jenen beiden
Größeren Tieren entging, was der Betrachter vielleicht
Nicht auf die Schnelle bemerkt, erst später mit einem zweiten
Blick sich verständig erklärt: Wasser ist größernteils nicht
Das, was die Grube hier füllt und macht sie zur tödlichen Falle,
Sondern, man merkt es zuletzt, weicher und zäher Asphalt.

Glasige Blasen stiegen vom Grunde herauf und das Fell der
Katze ist hässlich verklebt. Klebrige Bänder verziehn
Lastend sich langsam hinab. Es wird diese tückische Grube
Bald diesen beiden das Grab. Fern auf den Bergen glänzt Schnee.

 

Stegocephali

Fast ist mir von all diesen Welten
Die eine die liebste und war
Es immer von Anfang her schon

Ein Blick in den Sumpf aus dem Oberkarbon,
Das Wasser ist vordergrunds flach und glasklar,
Hier sind Namen, die teils nicht mehr gelten.

Vier Dachschädler siehst du auf den Steinen,
Drei Arten, im Dreieck verteilt.
Der Branchiosaurus liegt platt
Mit breitem, gepanzertem Kopf, und er hat
Einen tiefdunklen Rücken, nass glänzend verweilt
Er dort stets mit gewinkelten Beinen.

Ein Stück weiter vorn ist zu sehen:
Microbrachis, schmaler und grün,
Die Gliedmaßen winzig, fast zart

Und dort, auf dem Stein weiter hinten gepaart,
Um welchen im Halbkreis die Wasser sich ziehn,
Die zwei, die sich sichtlich verstehen,

Das sind Urocordylen, gleichen
Zwei Molchen 
mit sehr langem Schwanz;
Von beiden der vordere reckt
Sich just eben aufwärts nach einem Insekt,
Das nahe zum Greifen herumschwirrt, nur ganz,
Ganz knapp wird es wieder entweichen.

So zeigt er das Gelb seiner Kehle,
Die Zähne, die spitz sind, im Mund;
Das zweite und kleinere Tier
Schaut aufmerksam abwärts ins Wasser, denn hier
Schwimmt biegsam und schlängelt sich über den Grund,
Damit es im Bilde nicht fehle,

Das Dolichosoma, es gleitet
Geräuschlos, gelbgrünlich hervor,
Wo Farnbusch den Ausblick verwehrt,
Kalamit, der, gebrochen, ein Wurzelwerk quert

Doch denkst du dir leicht, dass der Sumpf hinterm Rohr
Sich endlos nach überall weitet.

 

Tanzmücken-Stein

Die wärmeren Wälder sind alle verschwunden.
Doch geht in dem Bernstein, am Ufer gefunden
Des Meeres, bis jetzt ihr geflügelter Tanz.
Ein zierlicher Schwarm.
Und der Stein ist warm.

 

Der Archaeopteryx

Ob er aus den Bäumen sprang
Oder sich vom Boden schwang,
Ist noch strittig, doch gelang
Dieser Aufschwung, jener Sprung
So vortrefflich, dass sein Flug
Ihn Millionen Jahre trug

Seine Schwingen beiderseit
Ausgebreitet
durch die Zeit,

Bis er seinen Hals verbiegt,

Dass der Kopf, zurück gekehrt

Spitze Schnauze, zahnbewehrt
Langem Schwanz nach abwärts zeigt.
Doch die Beine sieh: er steigt,

Seine Flügel sieh: er fliegt
Immer noch
wer holt ihn ein? ,
Eingeschlossen in den Stein.